Er ist der Wild-West-Märchenonkel unter den Folk-Barden. Digger Barnes.
Äthiopien, während einer Hungerkatastrophe Mitte der 80er Jahre. Mit Hilfe Israels und der Vereinigten Staaten gelangen mehrere tausend schwarze äthiopische Juden nach Israel. Im Mittelpunkt des dritten Spielfilms von Radu Mihaileanu („Das Konzert“) aber steht ein schwarzer „Goi“ – in den Wirren hat ihn seine Mutter überredet, sich als Jude auszugeben, um so dem Hungertod zu entkommen. Der Junge gelangt ins Heilige Land. Dort gilt er als Waise und wird von einer sephardischen Familie, die aus Frankreich eingewandert ist, adoptiert. Er wächst in Tel-Aviv auf – stets in Sorge, dass die Wahrheit ans Licht kommen und er als zweifacher Lügner überführt werden könnte.
Eine eindringliche Parabel auf die großen Probleme in dieser Welt, die weit über das Schicksal einer einzelnen Familie hinausweisen. Es geht um das Hin-und-Hergerissen-Sein zwischen zwei Kulturen und zwei Religionen – und in erster Linie um die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens.
Juha hat seine Arbeit schon vor Monaten verloren, aber er sagt seiner Frau nichts davon. Stattdessen gaukelt er Normalität vor, quält sich jeden Morgen um 5 Uhr aus dem Bett und steht sich in der Hoffnung auf Gelegenheitsjobs an der Tankstelle die Beine in den Bauch wie ein Stricher. Warum also nicht gleich so? Als eine ältere Frau ihm einen Tausender bietet, wenn er ihr nackt die Haare bürstet, ist die Geschäftsidee geboren. Er sieht nicht gerade wie ein Gigolo aus, aber passabel. Er kann den reifen Damen zuhören und mit Viagra auch mehr, und bedürftige Frauen gibt es genug.
Die prekären Beschäftigungsverhältnisse von heute – hier werden sie ernst genommen. Dieses Beziehungsdrama über einen Finnen für gewisse Stunden ist beseelt von kompromissloser Komik und schroffer Tristesse. Es zeigt, dass jede Ich-AG ihren Preis hat. Und was es heißt, seine Haut zu Markte zu tragen.
Wer in Frankreich gegen soziale Ungleichheit anfilmen möchte, kann sich keinen symbolträchtigeren Ort aussuchen als das Barockschloss von Versailles. In die Nähe dieses Palastes verschlägt es die Obdachlose Nina mit ihrem fünfjährigen Sohn Enzo. Doch das ihr angebotene Sozialprogramm würde den Sohn ins Heim befördern. Auf der Flucht, im Wald hinterm Schloss, stoßen sie auf den ruppigen Aussteiger Damien (Guillaume Depardieu). Bei ihm lässt Nina das Kind zurück – für Jahre, in denen sie sich in die Gesellschaft neu integriert.
Den Kern dieses betörend schnörkellos inszenierten, nachtfinsteren Debüts bildet die Annäherung von Damien und Enzo. In einer der stärksten Szenen rennt der Junge in Panik vom Wald direkt in den Palast, in dem bezopfte Diener im Rokoko-Livree Touristen bespaßen. Ein Märchenbild für bittere Zeiten, denen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit abhanden gekommen zu sein scheinen..
So desillusionierend wie in dieser authentischen Bilanz ist die türkische Mittelschicht selten gezeichnet worden. Kurz vor dem Schulabschluss steht Mertkan ziellos und orientierungslos da. Vater Kemal drängt auf Militärdienst und Nachfolge im Betrieb, die Mutter beklagt ihre unsensiblen Männer. Die kurdische Kellnerin Gül, die nichts verlangt, aber viel gibt, könnte Mertkans Anker und Rettung sein. Aber seine Rebellion wird scheitern, woran ein Autounfall großen Anteil hat.
Ein „Familienfilm“ eigener Art, rau, wahr, authentisch und ungeschönt, wo schneller Sex und das Treten der Putzfrau Hand in Hand gehen. Ein Vater-Sohn-Film, wo der Schatten des Patriarchen übermächtig ist. Und ein verzweifelter Liebesfilm, in dem die Geliebte, weil aus der ethnischen Minderheit der Kurden stammend, in den Augen der türkischen Mehrheitsgesellschaft eine „kommunistische Zigeunerin“ ist, die „unser Land teilt“. Bitterer Bosporus.
Short Matters Teil 1
Sundays (B 2011)
R: Valéry Rosier, 16’
Sonntage – oder wie die Menschen dem Zerfließen der Zeit entgegentreten. Dieser verflixten Freizeit, die unbedingt mit Sinnvollem gefüllt werden muss. Dieser Zeit, der wir alle mit Freude oder Langeweile begegnen.
Berik (DK 2011)
R: Daniel Joseph Bergman, 16’
Ein kurzes, erschütterndes Drama über Freundschaft und Verständnis aus dem heutigen Kasachstan. Der 33-jährige Berik, durch radioaktive Strahlung blind und entstellt, verbringt seine Tage allein in der Wohnung seines Bruders. Bis eines Tages der 11-jährige Adil auf der Suche nach seinem Fußball an Beriks Tür klopft.
Incident by a Bank (S 2011)
R: Ruben Östlund, 12’
Die Rekonstruktion eines wahren, gescheiterten Banküberfalls aus dem Jahr 2006: Gedreht in einem einzigen Take und mit 96 agierenden und reagierenden Personen, die von Regisseur Ruben Östlund (2009 im Europäischen Spielfilmwettbewerb mit „De ofrivilliga“) akribisch choreographiert wurden.
Silent River (D/ROM 2011)
R: Anca Miruna Lăzărescu, 30’
Rumänien 1986: Gregor und Vali wollen vor der Diktatur fliehen und über die Donau das Land verlassen. Werden sie auf dem Fluss erwischt, drohen ihnen zehn Jahre Gefängnis. Sie sind aufeinander angewiesen und doch misstrauen sie sich. Gregor muss feststellen, dass seine Befürchtungen zutreffen, denn entgegen der Vereinbarung versteckt Vali seine schwangere Frau im Kofferraum.
Wenn Jessi gefragt wird, wieso sie nicht bei ihren richtigen Eltern wohnt, sagt sie: „Geht grad nicht“. Muss sie ja nicht jedem auf die Nase binden, dass sie die eigene Mutter nur zu sehen kriegt, wenn Besuchszeit im Knast ist. Die berührende Geschichte eines Mädchens, das mit 11 erwachsen sein muss. Das irgendwo ihren Platz zu finden versucht. Und einen radikalen Schnitt macht.
Eine überfüllte Straße in der Innenstadt Neapels. Ein reiches amerikanisches Paar und ihr 10-jähriger Sohn Jake kämpfen sich durch die Menge. Während die Eltern über die Richtung streiten, wird Jake von ihnen getrennt und gerät auf eine traumhafte Reise durch die geheimen Orte der Stadt, zwischen Realität und Phantasie.
1914 im spanischen Lasarte: Die besten Pferde sind gemeldet, die höchsten Wetten sind abgeschlossen, die Zuschauer auf der Rennbahn erwarten ein Spektakel. Doch dann überschattet ein grauenvolles Verbrechen die Ereignisse, dessen Hintergründe im Verborgenen bleiben.
Ein Zombiefilm der anderen Art: Dreißig Jahre nach dem Outbreak sind die Untoten gezähmt und als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Das junge Pärchen Katrine und Mark kämpft tagaus tagein mit der aufreibenden Domestizierung der Zombies, mit bluttriefenden Lobotomie-Experimenten – und ihrer aufreibenden Beziehung.